Jonas Prade

Verkehrsingenieur

Social-Media: Zum Blog

Masterarbeit

Elektrifizierungsstrategie für den Schienenverkehr in Deutschland

Ausgangslage

Vom Pariser Klimaabkommen und der nationalen Gesetzgebung (insbesondere Klimaschutzgesetz (KSG) zur Erreichung der Klimaziele leiten sich Anforderungen an die Dekarbonisierung des Verkehrs und damit auch an den Schienenverkehr ab. §3 Abs. 2 KSG legt fest, dass 2045 eine Netto-Treibhausgasneutralität erreicht werden soll.

Diese Festlegung hat für den Schienensektor insbesondere zwei Auswirkungen:

Dafür ist die Elektrifizierung des deutschen Schienennetzes notwendig. Im Koalitionsvertrag 2021 wurde das Ziel von 75 % Elektrifizierung für das Jahr 2030 ausgegeben. Die Elektrifizierung des Schienennetzes bietet neben der direkten Reduktion der Emissionen auch die Möglichkeit zur Nutzung von zusätzlichen Strecken, beispielsweise durch den Schienengüterverkehr (ggf. auch im Störungsfall). So können zusätzliche Elektrifizierungen ihren Beitrag leisten, das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel von 25 % Marktanteil Schienengüterverkehr bis 2030 zu erreichen.

Methodik

In einer gesamtgesellschaftlichen Vergleichsrechnung werden die betrieblichen, infrastrukturellen sowie externen Kosten verschiedener Antriebstechnologien berechnet. Dies erfolgt in Anlehnung an das vereinfachte Nachweisverfahren in der Standardisierten Bewertung für den Nahverkehr, hier jedoch ausgeweitet auf den Güter- sowie Fernverkehr. Dabei erfolgt die Berechnung der Betriebskosten nach den Verfahrensanleitungen der Standardisierten Bewertung beziehungsweise des Bundesverkehrswegeplans. Wo nicht vorhanden, werden Kenngrößen ergänzt.

Zur Bestimmung der Fahrlängen und zur Berechnung von Ausweichrouten für den Schienengüterverkehr wurde ein routingsfähiger Graph entwickelt, der das deutsche Schienennetz abbildet. Dieser Graph generiert sich aus den OpenData der DB (sowie manuelle Ergänzungen im Bereich der NE-Infrastruktur).

Die Berechnung der effizientesten Traktion erfolgt in Untersuchungsgebieten. Ein Untersuchungsgebiet ist dabei ein Gebiet nicht elektrifizierter Bahnstrecken. Alle Strecken, die dabei von denselben Linien befahren werden, werden zu einem Gebiet zusammengefasst. Dies kann eine einzelne Stichstrecke sein, aber auch das nicht elektrifizierte Bahnstreckennetz in Teilen von Franken, der Oberpfalz sowie einige Strecken in Tschechien umfassen.

Für den Personenverkehr werden die Traktionsmöglichkeiten Elektrifizierung, Batterie, Wasserstoff und E-Fuel gerechnet. Für den Güterverkehr aufgrund fehlender Lokomotiven für den schweren Hauptlastverkehr die Traktionsmöglichkeiten Elektrifizierung und E-Fuel. Für alle Züge wurde auch die Dieseltraktion berechnet, um Vergleichswerte zu erhalten und die Ergebnisse zu validieren. Zusätzlich gibt es für Untersuchungsgebiete den Fall der optimierten Elektrifizierung. Bei diesem wird nochmals innerhalb des Untersuchungsgebiets zwischen elektrischer und batterieelektrischer Traktion unterschieden (da dies die beiden kosteneffizientesten Traktionen sind). Dies ist insbesondere in Untersuchungsgebieten relevant, in denen der Schienengüterverkehr nicht alle Strecken nutzt. Auf den nicht vom Schienengüterverkehr genutzten Strecken kann dann nochmals unterschieden werden, ob hier nicht die batterieelektrische Traktion zu bevorzugen ist.

Die Methodik wird auf die Schieneninfrastruktur in Deutschland angewendet. Dabei wird der dritte Zielfahrplan des Deutschlandtakts als Fahrplan angenommen. Die Ergebnisse erlauben Aussagen über die Notwendigkeit von Infrastrukturmaßnahmen sowie die zu bevorzugende Traktion auf Strecken, die nicht elektrifiziert werden.

Ebenfalls ermöglicht wird die Berechnung der Elektrifizierungswürdigkeit von Ausweichstrecken für den Schienengüterverkehr. Dafür erfolgt eine Abschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit von Bahnstrecken. Im Anschluss wird ein Kostenvergleich zwischen verschiedenen Varianten benötigt, um die Auswirkungen des Störungsfalls zu reduzieren. In dieser Arbeit wird dabei das Ausweichen auf andere (nicht elektrifizierte) Bahnstrecken sowie die Verlagerung der Verkehre auf die Straße untersucht. Eine Betrachtung der ausreichenden Kapazität auf Ausweichstrecken ist im Rahmen der Arbeit nicht möglich.

Ergebnisse

Die Methodik wurde für das gesamte deutsche Schienennetz angewendet (inklusive Strecken ins Ausland, sofern diese nicht elektrifiziert sind und im Fahrplan des Deutschlandtakts hinterlegt sind). Die Ergebnisse aller Untersuchungsgebiete sind einsehbar unter https://d-b.schienengruen.de/master_scenario/1. Neben einigen Kenngrößen für das gesamte Referenzszenario können einzelne Untersuchungsgebiete auf der Karte gewählt werden. Die Ergebnisse jedes Untersuchungsgebiets können dann detailliert angeschaut werden. Neben dem Referenzszenario können auch die Ergebnisse weiterer Szenarien eingesehen werden (z.B. zur Verifizierung der Rentabilität von Wasserstoff und E-Fuels).

Wirtschaftliche effizienteste Traktionen

Im Referenzszenario finden ausschließlich die batterieelektrische und elektrische Traktion Verwendung. Von den 13490 bisher nicht elektrifizierten Streckenkilometer sind 4572 Kilometer zu elektrifizieren. Bezogen auf die täglichen Zugkilometer ergibt sich dabei ein leicht überwiegender Anteil der elektrischen Traktion mit 906954 km im Vergleich zu 708704 km, die batterieelektrisch erbracht werden. Der Schienengüterverkehr wird (im Hauptlauf) vollständig elektrisch erbracht und die von diesem befahrene Strecken vollständig elektrifiziert.

Ausweichrouten

Bei den Ausweichrouten wurden Strecken betrachtet, die nach der Berechnung des Referenzszenarios nicht elektrifizierungswürdig sind. Für diese wurde berechnet, ob bei unterstellter eingeschränkter Netzverfügbarkeit des eigentlichen Laufwegs des Schienengüterverkehrs nicht doch eine Notwendigkeit zur Elektrifizierung besteht.

Insgesamt ergibt sich so, inklusive der Elektrifizierung der Ausweichrouten, ein Elektrifizierungsbedarf von 4717 km. Die Lage der Strecken ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

Interaktive Darstellung der Ergebnisse

Die Ergebnisse für jedes Untersuchungsgebiet in jedem Szenario sind mit allen Kenngrößen abrufbar auf Dashboard Schienengrün

Handlungsempfehlungen

Es ergibt sich ein Bedarf zu Elektrifizierung von 4717 km, dazu können einige weitere Strecken kommen, bei denen die Differenz der Kosten sehr knapp ausfällt und z.B. durch fahrzeugstrategische Überlegungen doch die Elektrifizierung bevorzugt wird. Bei dem aktuellen Elektrifizierungstempo von circa 65 km pro Jahr wäre die Elektrifizierung 2093 abgeschlossen. Für die Einhaltung der gesetzlichen Ziele (Klimaschutzgesetz) sowie des Koalitionsvertrags ist dies zu langsam. Eine beschleunigte Umsetzung ist daher unabdingbar. Notwendig ist ein Aufbau der Umsetzungskapazitäten, sodass im Jahr 2030 der Elektrifizierungsbedarf auf maximal 4000 Streckenkilometer sinkt. Ab dann ist eine durchschnittliche Inbetriebnahme von 267 Streckenkilometern pro Jahr erforderlich, um das Elektrifizierungsprogramm 2045 abzuschließen. Diese Umsetzungsgeschwindigkeit wurde bereits mehrfach in der Geschichte der Elektrifizierung von Bahnstrecken in Deutschland erreicht.

Dafür notwendige Ansätze sind:

Impressum | Kontakt | zuletzt aktualisiert: 26.07.2023
×

Impressum

Jonas Prade
Aroser Allee 141
13407 Berlin

×

Kontakt

E-Mail